Können Sie das an einem konkreten Beispiel erklären?
RSH: Jüngstes Beispiel ist ein Projekt für die Stadt Zittau. Unter dem Motto „Zittau gärtnert“ beteiligte sich die Stadt mit einem Konzept zur intensiven Begrünung der „steinernen“ Innenstadt und Wiederbelebung der langen gärtnerischen Tradition am Wettbewerb „Ab in die Mitte“ und wurde dafür von der Jury mit dem Unterstützerpreises der HTWK im Jahr 2018 ausgezeichnet. Während des Folgejahres konzipierten wir gemeinsam mit der Zittauer Stadtentwicklungsgesellschaft, der Stadtplanung und Wirtschaftsförderung den Inhalt für ein Studienprojekt des Masterstudiums Architektur. Zugleich nahm ich Kontakt zur dortigen HAW, der Hochschule Zittau/Görlitz, auf und fand in der Fakultät Natur- und Umweltwissenschaften eine interessierte Partnerin für eine Semesterkooperation. Als Planungsgegenstand wurde die Reaktivierung einer unansehnlichen Innenstadtbrache, wenige Meter vom historischen Marktplatz entfernt und gegenüber des Jugendtreffs der Stadt gelegen, identifiziert. Ziel sollte es sein, diese Brache zu einer wirkungsvollen Freizeitfläche mit hoher ökologischer Wirksamkeit zu entwickeln. Nach einer gemeinsamen Vor-Ort-Analyse wurden im Dezember 2018 Gestaltungsansätze erarbeitet und dann im Januar 2019, bei einem weiteren Workshop, der von den HTWK-Studierenden konzipiert und moderiert wurde, mit der Stadt und Beteiligten der Jugendarbeit weiter vertieft. Die Ergebnisse wurden in einer Dokumentation festgehalten und der Stadt übergeben.
Wie funktioniert dann die Bürgerbeteiligung vor Ort tatsächlich, wenn die Studierenden ihre Entwürfe vorstellen?
RSH: In der Stadtplanung und vor dem Hintergrund stetig wachsender Bedeutung von Bürgerbeteiligung muss Architektur Akzeptanz erzeugen. Nur „schöne Bilder“ zu malen genügt schon lange nicht mehr. Die Architektin, der Architekt, muss den Entwurf, seine ästhetischen und funktionalen Qualitäten auch gegenüber Nichtfachleuten kommunizieren, das heißt, erklären können. Da geht es um Diskussionsfähigkeit und Moderationskompetenz. Mit der jahrzehntelang geübten Arroganz des fachlichen Wissensvorsprungs gegenüber der Welt der ingenieurtechnischen Laien in der Kommunalpolitik ist in den Debatten heutiger Stadtgesellschaften kein Blumentopf mehr zu gewinnen. In Distanz zwischen Planenden und Gesellschaft entsteht nicht zwangsläufig gute Architektur. Im Gegenteil: Architektur ist Kommunikation – und das heißt, Bedürfnisse erkennen, Interessen ausgleichen, Praxisvorgaben erfüllen, und das alles durch überzeugende gestalterische und atmosphärische Qualitäten zu erreichen. Hierin liegt für mich die „Kunst“ guter zeitgenössischer Architektur. Und als Stadtplaner ist man automatisch immer auch Teil der Kommunalpolitik.