Ethische und wissenschaftspolitische Herausforderungen für deutsche Hochschulen nach der Zeitenwende
Die sogenannte Zeitenwende hat die Rahmenbedingungen für Hochschulen und Forschung in Deutschland spürbar verändert. Neue politische und wissenschaftspolitische Erwartungen prägen die Diskussion, insbesondere mit Blick auf Forschungssicherheit, Forschungsintegrität und den Umgang mit Dual-Use-Technologien und sicherheitsrelevanter Forschung. Auch die Debatte um Zivilklauseln sowie die Frage nach der Verantwortung der Wissenschaft gewinnt an Gewicht.
Der Vortrag beleuchtet die zentralen Positionen von Politik, Wissenschaftsorganisationen und Hochschulen und ordnet die daraus resultierenden Anforderungen ein. Dabei liegt ein besonderer Schwerpunkt auf den Ingenieurwissenschaften, deren Forschungsergebnisse unmittelbar zwischen ziviler und militärischer Nutzung oszillieren können. Anhand ausgewählter Fallbeispiele wird gezeigt, wie technische Entwicklungen neue ethische Konfliktlinien aufwerfen und wie Fachbereiche darauf reagieren können.
Außerdem geht der Vortrag auf die Frage ein, wie Hochschulen mit Drittmitteln umgehen, wenn diese aus sicherheits- oder rüstungsrelevanten Bereichen stammen. Zugleich wird thematisiert, welche besondere Verantwortung Ingenieurinnen und Ingenieure im Umgang mit Technologien tragen, die gleichermaßen zivil wie militärisch eingesetzt werden können oder für schädliche Zwecke missbraucht werden können. Hierbei ergeben sich insbesondere bei internationalen Forschungskooperationen besondere Herausforderungen für die Hochschulen.
Darüber hinaus werden die Empfehlungen der Leopoldina und der DFG zu Wissenschaftsfreiheit und Wissenschaftsverantwortung vorgestellt sowie die Arbeit des Gemeinsamen Ausschusses zum Umgang mit sicherheitsrelevanter Forschung erläutert. Ziel ist es, die ethischen Spannungsfelder sichtbar zu machen, vor denen deutsche Hochschulen in den kommenden Jahren stehen.
Frau Dr. Anita Krätzner-Ebert studierte an der Universität Rostock und an der Høgskolen i Østfold (Norwegen) Geschichte und Germanistik. Nach dem Ersten Staatsexamen promovierte sie an der Universität Rostock im Fach Neueste Geschichte und Zeitgeschichte. Danach war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Forschungsabteilung der Stasiunterlagenbehörde tätig. Seit 2018 ist sie wissenschaftliche Referentin im Präsidialbüro der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina. Dort ist sie zuständig für den Gemeinsamen Ausschuss zum Umgang mit sicherheitsrelevanter Forschung von DFG und Leopoldina.