Fachtagung an der HTWK Leipzig zeigt, wie Forschung und Handwerk die Bauwende vorantreiben – Rückblick auf die Tagung „Nachhaltig Bauen und Sanieren“
Die zweite Fachtagung „Nachhaltig Bauen und Sanieren“ an der HTWK Leipzig machte deutlich: Nachhaltigkeit ist längst kein Randthema der Baubranche mehr, sondern der Maßstab, an dem sich zukunftsfähiges Planen und Bauen messen lassen muss. Mehr als zweihundert Fachleute aus Forschung, Handwerk, Architektur, Bauindustrie und Verwaltung diskutierten über Wege, wie sich ökologisches Bauen in der Breite verankern lässt – technisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich. Und das ist mehr als „nur“ Bauen mit Holz. „Es ist ein bunter Blumenstrauß an Möglichkeiten, Verfahren und Baustoffen“, sagt David Pfennig, Vorsitzender des Naturbau-Campus zu Beginn der Fachtagung. „Und genau das wollen wir heute hier zeigen.“
Veranstaltet vom Naturbau-Campus und der HTWK Leipzig in Kooperation mit der Handwerkskammer zu Leipzig, bot die Tagung Raum für konkrete Lösungsansätze: von kreislauffähigen Baustoffen über gesunde Innenräume bis hin zu neuen Bildungswegen im Handwerk.
Prof. Dr.-Ing. Faouzi Derbel, Prorektor für Forschung und Nachhaltigkeit an der HTWK Leipzig, betonte in seinem Grußwort die enge Verbindung zwischen Forschung und Nachhaltigkeit. Nur die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Praxis könne die Bauwende erfolgreich voranbringen. Es gehe darum, „Innovationen aufzuzeigen, Zukunft zu gestalten und auch alte Lösungen wiederzuentdecken und weiterzugehen“. Besonders der Gebäudebestand spiele dabei eine entscheidende Rolle.
Von der Idee zur Baupraxis: Kreislaufdenken als Schlüssel
Kreislauffähigkeit war eines der zentralen Themen des Tages. Prof. Dr.-Ing. Björn Höhlig von der HTWK Leipzig sprach über die Bedeutung schadstofffreier Baustoffe. Er machte deutlich, dass die Reduktion des CO₂-Ausstoßes allein nicht genügt: „Wir müssen die Schadstoffbelastung in Gebäuden deutlich verringern.“ Die heutige Bauweise halte durch eine hohe Luftdichtigkeit Schadstoffe länger in Innenräumen zurück – was neue Anforderungen an Materialien und Bauverfahren stelle. Als Lösungsansätze nannte er schadstofffreie Alternativen und konstruktive Lösungen, etwa den Verzicht auf Kleber, um Emissionen von vornherein zu vermeiden. Zudem müsse die Kreislauffähigkeit von Baustoffen stärker in den Blick rücken – biologisch wie technisch.
Einen bereits jetzt kreislauffähigen Baustoff stellte Jürgen Küllmer in seinem Fachvortrag zur Herstellung und Wiederverwendung von aus Zeitungspapier stammender Zellulose als Dämmstoff vor.
Die Verarbeitung kreislauffähiger Baumaterialien in der Praxis zeigte David Pfennig, Geschäftsführer der Pfennig Gruppe, mit Live-Demonstrationen zu maschinell verarbeiteten Lehmputzen, der Absaugung und Aufbereitung zuvor eingeblasener Zellulose sowie dem Brandverhalten verschiedener Bau- und Dämmstoffe. Hier wurde sichtbar, dass Nachhaltigkeit längst mit industrieller Präzision und gemäß aktueller Standards und Anforderungen umgesetzt werden kann – und ökologisches Bauen kein handwerkliches Nischenprodukt mehr ist.
Material mit Haltung – natürliche Baustoffe neu gedacht
Dass Fortschritt und Tradition kein Widerspruch ist, zeigten Beiträge aus Forschung und Industrie. Dr. Franziska Knoll (GOLEHM-Initiative) und Maximilian Breidenbach (Claytec) stellten den modernen Lehmbau als vielversprechende Alternative zu konventionellen Bauweisen vor.
Auch Holzhybrid und automatisierte Fertigung und innovative Architektur im Holzbau standen im Fokus. Werner Ehrich präsentierte seine Holz-Stroh-Hybridlösung, bei der Strohballen in tragende Holzrahmen eingefügt und mit Lehm oder Kalk verputzt werden – lastabtragende Strohelemente als System, das Ökologie und Konstruktion auf überzeugende Weise verbindet. Felix Schmidt-Kleespies (FLEX / HTWK Leipzig) zeigte, wie sich durch automatisierte Fertigung und digitale Werkzeuge wie AR-Datenbrillen und KI-gestützte Planung die Materialeffizienz im Holzbau steigern lässt. Architekt Dirk Stenzel (ASUNA, Leipzig) brachte die Praxisperspektive ein: Mit Projekten wie dem Holzhaus Z8 in Leipzig-Lindenau bewies er, dass mehrgeschossiger Holzbau auch im urbanen Raum möglich ist – klimaaktiv, ressourcenschonend und architektonisch prägnant.
Diese Beispiele machten deutlich: Innovation entsteht dort, wo Materialforschung, Handwerk und Planung zusammenarbeiten – nicht als Gegensätze, sondern als gemeinsame Gestalter einer neuen Baukultur.
Ein Highlight war zudem der Beitrag des Baubiologen Stephan De Bona, der während der Veranstaltung eine Live-Raummessung durchführte und damit die Luftqualität in Echtzeit untersuchte. Er konnte nachweisen, „ob und was in der Luft ist – aber nicht immer, wo es herkommt“. Sein Experiment unterstrich die Relevanz eines gesunden Innenraumklimas und sensibilisierte für die oft unsichtbare Dimension des nachhaltigen Bauens.
Wissen vernetzen – Menschen befähigen
Ein weiterer Schwerpunkt der Tagung lag auf Bildung und Vernetzung. Mit der Initiative „Bauwende Sachsen“ stellte Birte Schäfer ein Netzwerk vor, das regionale Akteure zusammenführt, um nachhaltige Bauprozesse zu ermöglichen und ihre Verbreitung zu beschleunigen. Ron Claus von der Handwerkskammer zu Leipzig präsentierte den neuen Fortbildungsweg „Restaurator im Handwerk“, der Fachkräften auch Kompetenzen für ressourcenschonende und ökologische Sanierung und den Umgang mit historischer Bausubstanz vermittelt. „Bei dieser Neuauflage des Restaurators im Handwerk berücksichtigen wir Nachhaltigkeit nun mehr als früher, genauso wie bei unseren weiteren Angeboten für das Handwerk – wie zum Beispiel durch unsere Beteiligung bei dieser Fachtagung“ ergänzt Sven Börjesson, Mitorganisator von Seiten der Handwerkskammer.
Beide Initiativen zeigen: Nachhaltiges Bauen ist nicht nur eine technische, sondern vor allem eine gesellschaftliche Aufgabe – sie erfordert Wissen, Austausch und Haltung.
Ein starkes Signal aus Leipzig
Die 2. Fachtagung „Nachhaltig Bauen und Sanieren“ setzte ein klares Zeichen für die Bauwende. Nicht nur in den Vorträgen, sondern auch in den moderierten Diskussionen für alle Teilnehmenden im World Café und in der begleitenden Fachausstellung zu Produkten, Initiativen und Forschungsprojekten des nachhaltigen Bauens wurde sichtbar, dass der Wandel im Bauwesen längst begonnen hat – getragen von Menschen, die neue Wege gehen. Was vor wenigen Jahren als Utopie galt, wird heute immer mehr Realität auf Baustellen, in Forschungsprojekten und in Werkstätten.
Mit ihrer Verbindung aus Wissenschaft, Praxis und Bildung zeigte die Veranstaltung, wie die Transformation des Bauwesens gelingen kann – konkret, kollaborativ und mit klarem Blick auf die Zukunft.